Bürgerdialog: Was ist wichtig für den professionellen Umgang mit einer Bürgerinitiative?
Viele Projekte, die den öffentlichen Raum betreffen, haben früher oder später mit einer Bürgerinitiative zu tun. Das sorgt beim Projektträger oft für Unmut, denn schnell sieht man neben einem reibungslosen Ablauf auch die Deutungshoheit bedroht. Dennoch sollte das Potenzial für einen konstruktiven Austausch gesehen werden. Hier sind ein paar grundsätzliche Tipps für die Bürger- und Akzeptanzkommunikation und den professionellen Umgang mit Bürgerinitiativen:
1. Frühzeitig und regelmäßig kommunizieren
Die frühzeitige, proaktive und regelmäßige Kommunikation an die Öffentlichkeit ist im Hinblick auf meist sehr aktiv kommunizierende Bürgerinitiativen besonders wichtig, um – gerade in der Phase der Meinungsbildung – die Deutungshoheit zu wahren. Es muss sichergestellt werden, dass Updates und verlässliche Informationen vom Vorhabenträger selbst kommen und nicht von anderer Stelle. Es gilt also, die Kommunikation aktiv zu steuern sowie offen, transparent, vertrauensbildend und vor allem regelmäßig zu kommunizieren, um zu vermeiden, in eine reaktive Position zu geraten. Eine transparente Kommunikation über Ziele, Zeitpläne und mögliche Auswirkungen schafft Vertrauen und zeigt, dass die öffentliche Meinung ernst genommen wird.
2. Zuhören und Anliegen ernst nehmen
In Bürgerinitiativen engagieren sich häufig Menschen, die sich leidenschaftlich für ein Thema und ihre Umgebung einsetzen. Ein professioneller Umgang beinhaltet daher, sie von Anfang an in Projekte und Pläne einzubeziehen und ihre Perspektiven und Sorgen ernst zu nehmen – auch wenn sie den eigenen Zielen widersprechen. Zuhören und Verständnis zeigen sind die Basis für konstruktive Lösungen. Häufig liegt der Fokus neben Nutzungskonflikten im öffentlichen Raum auf den Themen Sicherheit und potenzielle Gefahren, je nach Vorhaben bspw. hinsichtlich Verunreinigungen von Grundwasser, Unfällen oder Explosionsgefahren. Diese Ängste gilt es wahrzunehmen und darauf einzugehen. Carta empfiehlt darüber hinaus zu prüfen, ob es einen neutralen Experten aus dem jeweiligen Bereich gibt, und diesen bei einer Infoveranstaltung sprechen zu lassen, um Themen nachvollziehbar und glaubwürdig einzuordnen.
Bürgerinitiativen können zudem wertvolle Einblicke in Bedürfnisse und Sorgen der Bevölkerung bieten. Kritik kann hier als Impuls zur Verbesserung und Optimierung von Projekten und Kommunikationsstrategien genutzt werden. Hilfreich ist es in diesem Zusammenhang, genau zu beobachten, welche Themen die BI gerade bewegen und diese Themen in der allgemeinen Kommunikation an die Öffentlichkeit aufzugreifen. Bürgerdialog ist somit auch ein Optimierungsfaktor für das Projekt als Ganzes.
3. Konzentration auf die schweigende Mehrheit
Nicht jede Bürgerinitiative ist gesprächsbereit und offen oder kann den Handlungsdruck eines Unternehmens nachvollziehen. In diesem Fall gilt es umso mehr, sich in der Kommunikation auf die übrige Öffentlichkeit zu konzentrieren und die schweigende Mehrheit, die sich noch keine Meinung gebildet hat, mit Wissen aufzuladen und zu aktivieren. Sich zum Ziel zu machen, eine Bürgerinitiative mit starrer Haltung zum Umdenken zu bewegen, gelingt in den wenigsten Fällen und verschwendet in diesem Fall Energie und Ressourcen.
4. Souverän bleiben
Wird ein problematischer Aspekt immer wieder von einer Bürgerinitiative thematisiert, obwohl er bereits eingeordnet wurde, und der Vorhabenträger geht dennoch immer wieder darauf ein, dann besteht die Gefahr, dass sich die Diskussion irgendwann nur noch um dieses Gefahren- bzw. Problemthema dreht. Das Thema nimmt dann viel mehr Raum ein als gerechtfertigt. Hier kann man die Diskussion bei hohem Detailgrad auch abbrechen und die Fragesteller z.B. an relevante Regelwerke oder Ähnliches verweisen. Es muss in diesem Fall nicht über jedes Stöckchen gesprungen werden und vor allem nicht dann, wenn zum jeweiligen Thema bereits alles gesagt ist und kommuniziert wurde.
5. Gemeinsam Lösungen und Kompromisse finden
Wenn das jeweilige Projekt einen gewissen Handlungsspielraum zulässt, empfiehlt es sich, Offenheit für alternative Ansätze und Kompromisse zu zeigen, die sowohl den Zielen von BI und Öffentlichkeit als auch den eigenen Projektzielen gerecht werden. Noch besser ist es, die Öffentlichkeit frühzeitig zu beteiligen, wenn Planungen noch nicht allzu weit fortgeschritten sind – im Idealfall sorgt das dafür, dass erst gar keine Notwendigkeit für die Bildung einer Bürgerinitiative gesehen wird. In jedem Fall aber ist es wichtig, die Grenzen von Anfang an abzustecken und auch deutlich zu machen, welche Forderungen unrealistisch sind. Die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern bzw. Bürgerinitiativen in Lösungsprozesse kann dann konstruktiv sein und die Akzeptanz von Projekten erheblich erhöhen. Wenn es keinen Handlungsspielraum gibt, muss das auch transparent und klar kommuniziert werden. Den Anschein zu erwecken, es gäbe ihn, verspielt ansonsten Vertrauen.
6. An Gemeinwohl appellieren
Die Motivation der Bürgerinitiativen rührt meist aus einer NIMBY-Haltung heraus. Daher empfiehlt es sich, je nach Projektziel, in der Kommunikation die Gemeinwohlinteressen hervorzuheben und diese den Individualinteressen (NIMBY) gegenüberzustellen. Dies ist vor allem bei öffentlichen Infrastrukturprojekten möglich, aber auch bei privatwirtschaftlichen Projekten, die für Arbeitsplätze und Steueraufkommen sorgen. Nach Möglichkeit kann hier im weiteren Verlauf auch deutlicher appelliert werden, einen Beitrag zu leisten. Je nach Projektziel und Rückhalt geschieht das jedoch besser von Seiten Dritter wie der Lokalpolitik.
7. Objektive und sachliche Information anbieten
Aufkommende Fragen oder Mythen können durch Fakten und transparente Antworten aus dem Weg geräumt werden. Vorhabenträger sollten Initiativen und Öffentlichkeit daher mit klaren, sachlichen Informationen bedienen. Dabei muss Fachjargon vermieden werden, um sicherzustellen, dass alle Informationen einfach verständlich sind. Sollte die BI falsche oder aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen tätigen und veröffentlichen, muss dem klar und zeitnah begegnet werden, um zu verhindern, dass sie sich etablieren und verbreiten. Zur Not geschieht das über eine Anzeigenschaltung in den jeweiligen Amtsblättern. Auch auf Social Media sowie in den FAQ im Web kann diesen Themen begegnet werden.
8. Im Gespräch bleiben
Ein aktiver Dialog mit Vertretern der Bürgerinitiative zeigt Wertschätzung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Regelmäßige Gespräche und der Austausch auf Augenhöhe sind entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und Bedenken frühzeitig zu klären. Dennoch sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass wichtige Informationen nicht nur an die lauteste Gruppe gehen und dass diese keinen Infovorsprung gegenüber anderen Stakeholdern und der Öffentlichkeit hat.
Mit diesen Tipps kann ein konstruktiver Dialog gefördert und ein professioneller Umgang sichergestellt werden, der sowohl den Initiativen als auch den eigenen Projektzielen zugutekommt.