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Heiß diskutiert – wie Bürgerkommunikation zum Gelingen von Geothermieprojekten beitragen kann und auf welche Punkte es ankommt

Geothermie hat vor allem wegen ihrer Grundlastfähigkeit ein großes Potenzial für die Energie- und Wärmewende. Der Oberrheingraben ist eine von drei Regionen in Deutschland, die besonders gute geologische Voraussetzungen für die Nutzung von Geothermie bieten. Zusätzlich interessant werden sie durch die parallele Gewinnung von Lithium als Nebenprodukt der Geothermie. Doch das vielversprechende Potenzial wird aktuell nach wie vor nicht ausgeschöpft. Gründe dafür sind vor allem die hohen Investitions- und Anfangskosten, ein hohes Risiko, nicht fündig zu werden, sowie mitunter langwierige Genehmigungsverfahren. Aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz spielt bei der Umsetzung von Geothermieprojekten eine entscheidende Rolle.

Die positiven Aspekte einer klimafreundlichen Wärme- und Energieversorgung können die bisweilen starken Vorbehalte und Ängste gegenüber der Technologie im direkten Umfeld häufig nicht aufwiegen. Sie beziehen sich hauptsächlich auf das Risiko induzierter Seismizität, also durch den laufenden Betrieb ausgelöste Erdbeben, und damit einhergehende Schäden an Gebäuden sowie Erschütterungen und Bodenhebungen. Zu sehr stehen Ereignisse wie in Landau in der Pfalz oder in Staufen noch sinnbildlich für die Risiken, auch wenn die besonderen geologischen Gegebenheiten in Staufen kaum auf andere Gegenden übertragbar sind. In der ersten Phase der Nutzung der Geothermie in Deutschland wurden Projekte oft aus politischen Gründen genehmigungsrechtlich bevorzugt behandelt, auch wenn in der technischen Umsetzung erst noch Erfahrungen gesammelt werden mussten oder bestehende technische Expertisen und Best Practices aus verwandten bergbaulichen Bereichen nicht konsequent genutzt wurden. Es gab und gibt daher zahlreiche Bürgerinitiativen im Zusammenhang mit Geothermieprojekten. Den Schaden hatten nicht nur die betroffenen Gemeinden – sondern auch die Allgemeinheit, weil eine eminent wichtige Energiegewinnungsart durch Fehler in der Frühphase ein schlechtes Image bekam und alle nachfolgenden Projekte kommunikativ bergauf kämpfen müssen.

Frühzeitig, transparent und kontinuierlich

In der Bürger- und Projektkommunikation für solche Vorhaben ist es daher noch entscheidender als bei anderen Projekten, Transparenz zu schaffen, Ängste oder Vorurteile aktiv aufzugreifen und umfänglich über das jeweilige Vorhaben zu informieren. Das sollte frühzeitig, proaktiv und regelmäßig geschehen, da auch Bürgerinitiativen meist sehr aktiv kommunizieren. Nur so hat man eine Chance, in der Phase der Meinungsbildung – der engen Zeitphase von wenigen Wochen ab dem ersten Bekanntwerden eines geplanten Projekts – die Deutungshoheit zu wahren und als vertrauenswürdiger Akteur wahrgenommen zu werden. Es muss sichergestellt sein, dass Updates und verlässliche Informationen vom Vorhabenträger selbst kommen und nicht von anderer Stelle. Er muss zentraler Bezugspunkt und die dominierende Autorität bezüglich der Fakten und deren Einordnung sein. Lässt der Vorhabenträger durch zu späte oder spärliche Kommunikation zu, dass in der Phase der Meinungsbildung eine andere Instanz die Position des Meinungsführers über das Projekt einnimmt, etwa eine Bürgerinitiative oder politische Gegner, lässt sich das nur mit großem Aufwand revidieren.

Die Projektkommunikation von Geothermie-Projekten sollte also aktiv gesteuert werden und vor allem kontinuierlich und prozesshaft gestaltet sein, um zu vermeiden, in eine reaktive Position zu geraten. Prozesshaft bedeutet, dass nicht nur bei projektbezogenen Meilensteinen wie etwa erreichten Genehmigungsschritten kommuniziert wird, sondern ein von außen verständlicher Rhythmus in der Kommunikation etabliert wird – z.B. monatlich – dessen Einhaltung durch den Vorhabenträger eine Verlässlichkeit in der Wahrnehmung der Bevölkerung schafft. Diese Verlässlichkeit wird als etwas Berechenbares wahrgenommen und ermöglicht den Aufbau von Vertrauen in die handelnde Institution. Vertrauen muss da sein, bevor es gebraucht wird – also muss es aufgebaut werden. Das macht prozesshafte Kommunikation. Eine zu Beginn aufgesetzte Kommunikationsstrategie stellt zudem eine vorausschauende Öffentlichkeitsarbeit sicher und sorgt dafür, dass eigene Themen besetzt werden und die Kommunikation nicht nur reaktiv geschieht.

Inhaltlich schafft eine transparente und offene Kommunikation über Vorhaben, Ablauf und mögliche Auswirkungen Kompetenzzuschreibung und Glaubwürdigkeit und zeigt, dass die öffentliche Meinung ernst genommen wird. Zudem ermöglicht der intensive Informationsaustausch den Vorhabenträgern lokales Wissen, Erfahrungen und verschiedene Interessen von Beginn an in die Planungen zu integrieren. Hierbei sollten vor allem die Bürger:innen in den Blick genommen werden, die noch nicht so tief im Thema sind und sich auch noch keine Meinung gebildet haben. Ihnen muss ein umfangreiches Grundverständnis über Vorteile und Verfahren vermittelt werden: Was ist Geothermie – und wie funktioniert sie konkret an diesem Standort? Und wie sieht es mit der lokalen Relevanz aus: Welche Vorteile bringt das Projekt für die Region bzw. für die Bürger:innen? Können sie künftig direkt von der gewonnenen Wärme profitieren? Diese und weitere Fragen müssen anschlussfähig beantwortet und eingeordnet werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, herauszustellen, wie sich die Technologie weiterentwickelt hat. Bei der Entwicklung der Kommunikationsstrategie ist es ratsam, den Vorteil zu nutzen, dass Vorhabenträger von fachlicher Seite hervorragend aufgestellt sind. Die persönliche Expertise der beteiligten Geologen und Verfahrenstechniker kann dabei eine zentrale Rolle spielen: Wenn diese Experten zum Beispiel im Rahmen von Bürgerinformationsveranstaltungen wie Infomärkten im direkten Gespräch zur Verfügung stehen, kann sich ihre fachliche Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit durch Kompetenzzuschreibung und Empathie auf die Wahrnehmung des Projekts übertragen und damit den Weg für eine hinreichende Akzeptanz öffnen.

Der Umgang mit dem Thema Sicherheit

Aufgrund der oben genannten Historie der Technologie muss das Thema Sicherheit in der Projektkommunikation einen zentralen Platz einnehmen. Hierauf liegt, wie eingangs erwähnt, ein großer Fokus. Was wird – im Gegensatz zu früheren technischen Ansätzen – getan, um Bodenhebungen, Erdbeben oder Verunreinigungen des Grundwassers zu vermeiden? Welche positiven Beispiele für erfolgreiche Geothermie-Projekte gibt es? Welche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen gibt es beim vorgestellten Geothermie-Projekt und wie wird mit dem Thema Schäden umgegangen? Welche Maßnahmen sind für den Notfall oder bei unerwarteten Ereignissen vorgesehen? Wichtig ist dabei auch, eventuelle Risiken offen anzusprechen, um Vertrauen und Transparenz zu fördern. Bei der Kommunikation dieser Themen ist eine gute Balance gefragt, denn auch, wenn ihnen große Bedeutung zukommt, sollten Risikothemen die Kommunikation und den Dialog nicht dominieren. Um Ängste abzubauen, kann es hilfreich sein, technische Vorrichtungen oder Verfahren anschaulich in Grafiken oder Videobeiträgen aufzubereiten. Einordnende Zahlen und Größenordnungen tragen zudem zum besseren Verständnis bei und können letztlich auch Akzeptanz unterstützen.  

In diesem Zusammenhang sei ein weiterer Aspekt genannt: die Risiko- und Krisenkommunikation. Wer auf Krisen vorbereitet ist, kann den Vertrauensverlust, der damit einhergeht, begrenzen. Im Notfall muss schnell und wirksam gehandelt werden, um zu verhindern, dass in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ein luftleerer Raum entsteht, der durch Gerüchte und Fehlinformationen gefüllt wird. Ein Krisenhandbuch mit vorformulierten Statements, die im Ernstfall die Sprechfähigkeit sicherstellen und es ermöglichen souverän zu kommunizieren, sind daher unerlässlich. Dazu gehören auch Krisentrainings auf Basis antizipierter Szenarien sowie die genaue Regelung, wer welche Funktion im Ernstfall hat. Carta unterstützt sowohl präventiv bei der Vorbereitung auf potenzielle Krisen als auch ad hoc mit einem 24/7-Bereitschaftsdienst.

Beteiligen, konsultieren oder informieren?

Für die Gestaltung und den Aufbau einer zielführenden Projektkommunikation und Bürgerbeteiligung bieten Leitfäden und Best Practices wie die VDI-Richtlinie 7001 eine gute Orientierung. Sie formulieren praxistaugliche Kommunikationsstandards, die eine sinnvolle Begleitung und Ergänzung der formellen Verfahren und rechtlich vorgegebenen Schritte darstellen. Letztere bieten zwar Rechtssicherheit, jedoch nicht zwangsläufig auch gesellschaftliche Akzeptanz. Dabei kann Öffentlichkeitsbeteiligung auf drei Ebenen geschehen: durch Information, Konsultation und Mitgestaltung.

Neben den Fakten zu Projekt, Ablauf und Technik muss die Frage beantwortet werden, welche Informationskanäle den Bürger:innen regelmäßig zur Verfügung stehen und wie sie in das Projekt eingebunden sind. Werden sie lediglich informiert? Wie werden im Falle der Konsultation Rückmeldungen aus der Bevölkerung berücksichtigt? Gibt es echte Möglichkeiten zur Mitsprache oder Mitgestaltung – also eigentliche Bürgerbeteiligung? Hierbei ist wichtig: Gibt es projektbedingt keine alternativen Umsetzungswege oder Mitgestaltungsmöglichkeiten, so sollte das auch nicht versprochen oder vorgegeben werden, und muss klar und transparent von Anfang an kommuniziert werden. Sofern es die Ressourcen zulassen, ist eine regelmäßig stattfindende Sprechstunde vor Ort in einem Gemeinderaum oder eine Telefonsprechstunde hilfreich, um eine persönliche Ebene aufzubauen, ansprechbar zu sein und Anonymität entgegenzuwirken.

Die wichtigsten Phasen und ihre kommunikative Anforderung

1) Projektbeginn

Zu Beginn gilt es ein allgemeines Verständnis für die Technologie und deren Nutzung herzustellen, indem das Geothermieprojekt in einen sinnstiftenden Kontext gesetzt wird, der Notwendigkeit und Handlungsdruck nachvollziehbar macht (Klimaneutralität, Unabhängigkeit von fossilen Energien wie Öl, Kohle oder Gas und damit auch von Importen aus anderen Ländern, Grundlastfähigkeit, Flexibilität in der Nutzung für Wärme, Kühlen, Strom, Beitrag zur Energiewende etc.).

In dieser Phase ist auch eine Stakeholder- und Umfeldanalyse unverzichtbar. Wer sind die entscheidenden Stakeholder? Gibt es wichtige Multiplikatoren? Welche Mentalität prägt die Region? Welche Bedeutung hat das Thema Seismizität? Die Stakeholder-Übersicht bildet die zentrale Grundlage, die nicht nur für eine strategische Maßnahmenplanung relevant ist, sondern über Format und Ansprache der Stakeholder entscheidet. Wer seine Dialoggruppen und deren Positionen nicht kennt, kann Botschaften und Maßnahmen nicht zielgerichtet definieren und kommuniziert unter Umständen an ihren Bedürfnissen vorbei. Für eine solche Analyse können Gespräche mit Vertretern verschiedener Interessensgruppen wertvolle Einsichten geben. Die Stakeholder- und Umfeldanalyse muss als dynamischer Prozess verstanden werden und ist fortzuführen, um auch die Kommunikation im weiteren Projektverlauf immer wieder neu daran auszurichten.

2) Standortsuche

In dieser Phase muss vor allem Vertrauen in den Prozess geschaffen werden. Das bedeutet, es muss deutlich werden, dass die Standortauswahl nicht willkürlich erfolgt und sich an bestimmten Kriterien orientiert, bei denen beispielsweise Schutzgüter berücksichtigt werden. Es muss nachvollziehbar dargestellt werden, warum genau der jeweilige ausgewählte Standort diesen Parametern entspricht und optimal geeignet ist für das Vorhaben. Häufig besteht der Wunsch, Einblick in die Entscheidungsfindung zu erhalten und so sollten Varianten erläutert werden, um Entscheidungen nachvollziehbar zu machen und zu demonstrieren, dass man sich verschiedene Lösungswege angesehen hat. Dazu gehört auch die Diskussion von Alternativen und die Erläuterung, warum welche Alternativen verworfen wurden.

3) Verfahrensbegleitende Kommunikation

Carta arbeitet eng mit Verwaltungsexperten zusammen, um Strategien zu entwickeln, die sowohl den Erfolg des Vorhabens kommunikativ unterstützen als auch sicherstellen, dass die rechtlichen Genehmigungsverfahren nicht durch die Kommunikation gefährdet werden und die Kommunikation das Verfahren nicht formal angreifbar macht. 

Um die Kommunikation von wichtigen Verfahrensschritten und Genehmigungen zu strukturieren, ist ebenso eine gute Stakeholder-Übersicht relevant. So lässt sich die richtige Reihenfolge für die Infokaskade bestimmen, in der an die relevanten Akteure kommuniziert wird. Dabei werden lokale Entscheidungsträger wie Kommunalpolitiker und Räte, Medien, Mitarbeiter und die breitere Öffentlichkeit in einer zeitlichen Abfolge informiert, die das Informationsbedürfnis aller Dialoggruppen bedient und gleichzeitig den hierarchischen Ansprüchen der verschiedenen Gruppierungen gerecht wird.

4) Bauliche Umsetzung und Bohrung

In dieser Phase gilt es den Fokus in der Projektkommunikation auf das Vertrauen in die Technik zu legen und diese in klar verständlicher Sprache ohne Fachbegriffe zu erklären. Die persönliche Expertise der beteiligten Geologen und Verfahrenstechniker kann hier in einem Infomarkt vor Beginn des Baus noch einmal vertrauensfördernd eingesetzt werden, indem sie als Ansprechpartner an thematisch passenden Ständen zur Verfügung stehen.

Des Weiteren ist in dieser Phase einmal mehr die oben skizzierte prozesshafte Kommunikation wichtig: Während der Bauausführung geht es darum, Anwohner über den Stand der Arbeiten auf dem Lau­fen­den zu halten und darüber zu informieren, welche Bau­maß­nah­men be­vorstehen. Für Beschwerden oder Nachfragen von Seiten der An­wohner sollte jetzt ein Ansprechpartner vor Ort sein. 

5) Laufender Betrieb

Im laufenden Betrieb können nachweisbare positive Auswirkungen für die Projektkommunikation genutzt werden. Darüber hinaus kommt es hier auf die eingangs aufgesetzte Krisenkommunikation an. Die mit der Geothermie verbundenen Risiken wie induzierte Seismizität können dann potenziell zum Thema werden, weshalb eine Vorbereitung auf den Ernstfall – ob kleiner Zwischenfall oder ernstzunehmendes Ereignis – darüber entscheidet, welches Vertrauen das Vorhaben künftig genießt.

Mithilfe marktführender Tools und Plattformen führt Carta für seine Kunden ein kontinuierliches Monitoring der relevanten Print- und Online-Medien sowie der Social-Media-Kanäle im Sinne eines Issue Monitoring durch. Dadurch prüfen wir, wie das jeweilige Vorhaben und damit zusammenhängende Themenbereiche in der Öffentlichkeit diskutiert werden. So lassen sich mögliche Bedrohungen ebenso frühzeitig ausmachen wie positive Kommunikationschancen.


Fazit

Für den Erfolg von Geothermieprojekten ist eine frühzeitige, transparente und kontinuierliche Bürgerkommunikation unerlässlich. Die prozesshafte Organisation und Nutzung des Vertrauenspotenzials beteiligter Experten sind wichtige Bausteine der Strategie. Nur wenn Sorgen ernst genommen, technische Aspekte verständlich und glaubhaft vermittelt und reale Beteiligungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, kann Vertrauen entstehen. Dabei gilt es, Sicherheit offen zu thematisieren, ohne Ängste zu schüren, und insbesondere die unentschlossenen Bürger:innen aktiv einzubinden. Projekte scheitern fast nie an der Technik, sondern fast immer an der Kommunikation. Projektkommunikation ist daher nicht nur Begleitung, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor der Energiewende, gerade bei Geothermie-Projekten.